Das Nordkap an der deutsch-tschechischen Grenze
Wehrsdorf – Neustadt i. Sachsen / 30.07.2010 /132. Tag
Als ich in Wehrsdorf mit Emma auf Strecke gehe schaut sie permanent nach hinten, als ob sie mich fragen möchte: „Wo bleibt denn Bernd?“, unser Wanderführer mit dem leckeren Pausenbrot. Bernd führt heute eine Wandergruppe über den Oberlausitzer Bergweg. Wir müssen allein zurecht kommen. Novemberstimmung beim Aufstieg Richtung Steinigtwolmsdorf. Dicke Nebelschleier ziehen durch den dunklen Wald. Leichter Wind kühlt das Gesicht. Es ist absolut still, gespenstig. Emma bleibt mir dicht auf den Fersen. Die Waldhimbeeren und Blaubeeren schmecken gekühlt besonders gut.
Hinter Steinigtwolmsdorf mitten im Wald ein Holzschild mit der Aufschrift: „Nordkap“. Haben wir uns verlaufen? Das Nordkap liegt doch einige Tausend Kilometer nördlich. Und jetzt der Hinweis hier im Wald? Ich wandere mit Emma weiter. Wieder ein Hinweisschild zum Nordkap. Ich werde neugierig, folge den Schildern bis wir das „Nordkap“ im tiefen Wald erreicht haben. Der Reisejournalist Peter Stache schrieb dazu: „Nur ein weißer Pfahl am Grenzstein 2/40 markiert mitten im Wald den nördlichsten Punkt der Tschechischen Republik. Er befindet sich exakt 51 Grad, drei Minuten und 20 Sekunden nördlicher Breite. Hier ist also der nördlichste Punkt der einstigen Österreich-ungarischen Monarchie und er heutigen Tschechischen Republik.“
Ein Ort der Ruhe, ein Ort zum Träumen, ein Ort Stille zu genießen. Während es sich Emma im grünen Moos gemütlich macht, liege ich auf einer Holzbank (halb in Tschechien, halb in Deutschland) und hänge meinen Gedanken nach. Jede, auch noch so schöne Pause, geht zu Ende. Wir steigen wieder Richtung Oberlausitzer Bergweg. Am Waldcafe Waldhaus gönne ich mir einen Kaffee, ehe wir weiter Richtung Valtenberg wandern. Der Weg zum Berg führt zunächst nur leicht bergan, ehe die letzten eineinhalb Kilometer Steigungen von über 20 Prozent ausweisen. Kurz vor dem Gipfel entspringt die Wesnitz in einer Höhe von 515 Meter am Südosthang des Valtenbergs und fließt aus dem Mundloch eines 60 Meter langen Bergwerkstollen, genannt „Goldberg“.
Von der Quelle sind es nur noch wenige Minuten bis zur höchsten Erhebung des Oberlausitzer Berglandes (586 m). Den Gipfel krönt seit 1856 ein 25 Meter hoher Aussichtsturm. Leider verhindern tief liegende Wolken weite Ausblicke. Vom Valtenberg geht’s steil bergab. Bis nach Neustadt sind noch zwei Stunden zu wandern. Im Bergasthof „Götzinger Höhe“, etwas außerhalb von Neustadt, habe ich ein Zimmer reservieren lassen. Die Anhöhe ist benannt nach dem Magister Wilhelm Lebrecht Götzinger (1758 bis 1818). Götzinger war Pfarrer, Humanist und Heimatforscher. Er gilt als Entdecker der sächsischen Schweiz und erster Topograph des Meisner Elbhochlandes.
Am Abend ein besorgter Anruf von Bernd. Er will wissen ob alles geklappt hat. Ich glaube er vermisst Emma aber die kann nicht mit ihm telefonieren.