Auf dem Hochwasserdamm steht heiße Luft
Forst – Bad Muskau / 16.07.2010 / 118. Tag
Die Temperatur ist nur unwesentlich gesunken. Deshalb starte ich auch heute wieder früh mit Emma. Der Weg führt uns immer unmittelbar entlang der Neiße und damit auch entlang der Grenze. In Klein Bademeusel begegne ich Günter Köhler. „Sie sind der Wanderer aus der Zeitung!“ Er erkennt mich auf Anhieb. Die Lausitzer Rundschau hat meiner Wanderung in ihrer heutigen Ausgabe eine halbe Seite gewidmet.
Günter Köhler lebt schon immer direkt an der Grenze. Sein Dorf hat gerade noch 86 Einwohner. Die Jugend will weg, erzählt er. Die wollen alle in die Stadt.
Es wird wärmer. Wir gehen einen Gang langsamer. Auf dem Hochwasserdamm steht die heiße Luft. Zwischen Klein Bademeusel und Bahren (ich zähle sieben Häuser) unterqueren wir die Autobahn, die Berlin mit Breslau verbindet. Es sind nur wenige Autos unterwegs.
Eine Fußgängerbrücke führt in Zelz über die Neiße nach Polen. Auf der anderen Seite liegt Siedlec. Ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit meiner Kindheit. In den 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sahen die Straßen und Häuser im Saarland genau so aus. Hier in Siedlec ist die Zeit über Jahrzehnte stehen geblieben. Als ich einen Mann mit einem freundlichen Hallo begrüße und auf ihn zu gehe dreht er mir den Rücken zu und verschwindet in seinem Hof. Emma und ich sind hier nicht erwünscht. Ein trostloser Anblick, wir kehren um, setzen unsere Wanderung entlang der Neiße auf der deutschen Seite fort.
Hinter Zelz sitzt Gudio Bersick auf einem Klapphocker, raucht gemütlich eine Zigarette und schmökert in seinem Buch. Er kommt aus Oberhausen. Vor vierzehn Tagen ist er mit Zelt und Boot per Bahn bis Zittau gefahren, um die Neiße und Oder bis Stettin zu paddeln. Vergangene Nacht ist er auf einer Sandbank in der Neiße aufgelaufen. Dann hat er sein Zelt überm Boot aufgeschlagen und dort wo er stand übernachtet. Irgendwann ist er dann doch nass geworden. Nun trocknen seine Sachen aus gebreitet auf der Wiese. Wann er weiter paddeln wird weiß er noch nicht. Gute Fahrt, Guido.
Noch sieben Kilometer bis Bad Muskau. Der Weg bleibt in der Nähe der Neiße, allerdings führt er nun durch schattigen Wald. Eine Wohltat für Emma und mich. Und wie gerufen zur Mittagszeit erreichen wir den „Ziegenhof Zur Wolfsschlucht.“ Klaus-Bernd Günther, der seit einigen Jahren mit seiner Frau Andrea Roß den Ziegenhof betreibt, erkennt mich ebenfalls sofort. „Mei Mamma kommd aus Laudere,“ sind seine ersten Worte. „Meine Mutter kommt aus Kaiserslautern“ für alle Nichtsaarländer und Nichtpfälzer. Kaiserslautern ist nur eine halbe Autostunde von Saarbrücken entfernt.
Klaus Bernd ist in Leer aufgewachsen Seine Frau hat er in Wolgograt kennen gelernt. Sie lebte damals in Südfrankreich, er in Forst. Hier in Pusack haben sie sich ihren Traum erfüllt. Andrea ist für den Käse zuständig, Klaus Bernd für die Gäste. Die Bewirtung ist vorzüglich, die verschiedenen Ziegenkäsevariationen sind ein himmlischer Genuß. Ich schenke ihm meinen Wiesenthymian, den ich kurz vorher gepflückt habe. Mit seinen Ziegenfrischkäsen werden die Wiesenkräuter eine harmonische Verbindung eingehen. Wir verabschieden uns und ich verspreche morgen Abend zum Abendbrot zu kommen.
In Bad Muskau werde ich am Samstag einen zusätzlichen Ruhetag einlegen. Emma freut sich bestimmt. Wir wollen ganz gemütlich durch den Fürst Pückler Park spazieren. Er gehört seit einigen Jahren zum Weltnaturerbe der UNESCO. Anschließend werden wir das berühmte Fürst-Pückler-Eis probieren. Emma liebt Eiscreme.