Nebel im Grenzgebiet
Weißenbach am Lech – Schattwald / 10.10.2010 / 204. Tag
Das Lechtal in Weißenbach verlasse ich mit Emma in dichtem Nebel Richtung Haldensee. Bei kühlen Temperaturen müssen wir bergauf. In Nesselwängle reißt der Himmel auf. Panoramabilder der umliegenden Berggipfel wie im Bilderbuch. Wir machen eine kurze Rast in der wärmenden Sonne. Eine halbe Stunde später wandern wir bereits wieder in dichter Nebelsuppe.
Unterwegs entdecke ich eine Broschüre über grenzüberschreitende Heimatpflege: „Brauchtumstage 2010 Allgäu – Tirol“. Ich lese, dass eine Heimatzeitschrift „HEIMAT ALLGÄU“ existiert. Die Zeitschrift berichtet sechs Mal im Jahr vom Engagement der Menschen, von der Region und ihrer Geschichte, von Traditionen und ihren Wurzeln (www.heimat-allgaeu.info).
Seit sechs Jahren besteht der Förderverein mundART Allgäu e.V. (www.mundart-allgaeu.de). In diesem Jahr fanden verschiedene Veranstaltungen statt. Bereits nach wenigen Jahren hat es der Verein geschafft, die Herausgabe des Buches „Mundart Gedichte aus der Heimat“ zu präsentieren.
Die Pflege der Mundart liegt mir besonders am Herzen, engagiere ich mich doch persönlich in diesem Bereich und habe über viele Jahre Mundartsymposien selbst geleitet. Nirgendwo wird die Muttersprache so sehr mit Stolz lebendig gehalten wie in Bayern. Im Bayrischen Rundfunk wie auch im Bayrischen Fernsehen, in Talkrunden mit namhaften Persönlichkeiten steht man dazu.
Im Gegensatz zu meiner Heimat, dem Saarland, wo man sich als „namhafte Persönlichkeit“ in der Öffentlichkeit peinlich bemüht jede regionale Sprachfärbung zu vermeiden und es als peinlich gilt, wenn man den „Saarländer“ doch „raushört“. Für mich ist die Wanderung durch Bayern in dieser Hinsicht Balsam auf meine Seele. Ich bin Stolz Saarländer zu sein und während meiner nonstop-zuFuß-Deutschlandumrundung sowohl Botschafter des Weltkulturerbes Völklinger Hütte als auch der Stadt Völklingen zu sein, einer Stadt, die seit Jahren den Mundartpreis „Völklinger Platt“ auslobt.
Die Geierwally Freilichtbühne Elbigenalp – Lechtal widmete sich in dem Stück „EINE HANDVOLL HEIMAT“ 300 mutigen Tirolerinnen und Tiroler sowie Rheinländern, die zu einer Reise ins Unbekannte aufbrachen. Getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben und auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder brachen sie im Frühjahr 1857 auf und verließen ihre Heimat.
Bei meiner Reise rund um Deutschland ist mir die Pflege der Traditionen in keiner Region so deutlich geworden wie hier in Oberbayern. In Verbindung mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Tiroler Nachbarn wird deutlich, dass Traditionen auch über von Menschen gemachten Grenzen weiterleben.
Ich wandere im Grenzgebiet weiter. Vom Haldensee durchs Tannheimer Tal nach Schattwald. Die Schönheit der Landschaft bleibt meist im Nebel verborgen. Dafür erlaubt die kühle Temperatur ein flottes Tempo durch das neblige Tal. Österreich habe ich in den letzten Wochen bereits bei schönerem Wetter erlebt. Vielleicht wird mich Schattwald morgen früh im Sonnenlicht Richtung Deutschland verabschieden.