Grenze ist ein wichtiger Teil meiner Heimat – 216. Tag

Unterwegs auf dem Rheinwanderweg

Schaffhausen – Hohentengen / 22.10.2010 / 216. Tag

Christian Schmid, mit dem ich am gestrigen Abend bei Schweizer Rösti und Blauburgunder zusammen saß, ist ein Kind der Grenze. Sein Vater war Grenzwächter in der Schweiz. Christian`s Satz „Meine Heimat ist die Grenze“, klingt mir immer noch im Ohr. Christian, der seit 1988 als Redakteur beim Schweizer Radio DRS1 regelmäßig mit seinen Sendungen „Schnabelweid“ und „Siesta“ zu hören ist, hat in seinem Buch „Nebenhausen“ seine Kindheit an der Grenze verarbeitet.

Im Klappentext des Buches steht:

„Anfang der fünfziger Jahre lebte das junge Grenzwächterehepaar Schmid, beide aus dem Berner Worblental stammend, mit seinen zwei Knaben zuhinderst in der Ajoie an der Grenze im Weiler Les Bornes, der auf Deutsch ‚Die Grenzsteine‘ hiesse. Die Welt von Les Bornes, die erinnert erfunden und erzählt wird, eine Welt kurz nach dem Krieg und kurz vor dem großen Aufschwung, ist voll Grenzen. Sichtbar, wenigstens streckenweise, ist nur die Landesgrenze. Dennoch sind die anderen nicht weniger fühlbar, zum Beispiel jene zwischen Bernern und Jurassiern, zwischen Deutsch und Welsch, zwischen katholisch und protestantisch, zwischen Männern und Frauen, zwischen Erwachsenen und Kindern – zwischen uns und ihnen. Einige lassen sich leicht überschreiten, andere nur mit Mühe oder gar nicht. Die Welt von Les Bornes ist ein stilles, abseitiges Paradies ohne Ausweg – eine Welt ‚näbenuss‘ würde man auf Berndeutsch sagen. Spiele und Arbeit beschäftigen hier die Hände der Kinder und Erwachsenen, aber füllen die Köpfe nicht. In ihnen ist Platz für Geschichten von Schmugglern, vom Krieg, von Bern und dem Jura, Geschichten aus dem Rucksack des Herkommens, den man mit sich trägt, Geschichten vom Hier und Jetzt und von der Zukunft. Muster werden sichtbar im Alltag und in den Geschichten. Muster, an denen man festhält, obwohl nicht mehr alle überzeugen. Mitten in dieser Welt erwacht ein Kind zur Sprache, zum Begreifen und zum Ahnen“.

Zum Abschied schreibt er mir in mein Heimatbildersammelbuch:

„Für mich ist die Grenze ein wichtiger
Teil der Heimat. Als Sohn eines Grenzwächters
Aufgewachsen, habe ich, drei Jahre ausgenommen,
mein ganzes Leben an der Grenze verbracht. Ich
bin zwar ein Randschweizer, von den richtigen
immer etwas beargwöhnt – man wohnte ja schon
halb im Ausland. Aber genau diese Distanz
brauchte ich, um mich daheim zu fühlen.
An der Grenze“.

Der Rhein-Wanderweg zwischen Schaffhausen und Basel verläuft nahe am Flussufer. Etwa 120 Kilometer werde ich in den nächsten Tagen Richtung Westen laufen, um dann an der Rheinbiegung wieder nach Norden zu wandern. Aufbruch in Schaffhausen am Rheinufer. Nach etwa einer knappen Stunde führt der Wanderweg direkt an den tosenden Wassermassen des Rheinfalls vorbei. Auf einer Breite von 150 Metern und einer Fallhöhe von 23 Metern stürzen seit über 15.000 Jahren cirka 600.000 Liter Wasser pro Sekunde herab. Seit 1983 ist der Rheinfall im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung.

In flachen Booten, werden Besucher an die schäumende Gicht des Wassers gebracht. Ein Fels im Rheinfall ist über eine Treppe begehbar. Oben auf der Plattform ist man dem tosenden Wasser ganz nahe.

Hinter der ersten Flussbiegung kehrt Stille. Wir wandern an diesem Nachmittag entlang des Rheins und seinen Flussbiegungen über Rheinau, vorbei an Rüdingen und Buchberg. Um nach Eglisau zu kommen müssen wir über die „Rhi-Brigg“. Dort mache ich mit Emma eine kurze Rast. Bis Hohentengen sind es noch eineinhalb Stunden. Die nächsten zwei Tage ist Ruhe angesagt.

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