Eine Berg- und Talfahrt Richtung Zinnwald
Liebenau – Zinnwald / 05.08.2010 / 138. Tag
Die heutige Wanderung gleicht im Profil einer Berg- und Talfahrt. Wir starten an der alten Schule in Liebenau. Im oberen Teil des Hauses ist eine Heimatstube eingerichtet. Im unteren Teil betreibt Monika Leupold in den ehemaligen Klassenzimmern einen „Tante-Emma-Laden“. Wo sie heute arbeitet hat sie vor vielen Jahren die Schulbank gedrückt. Die quirlige, kleine Frau erzählt, dass sie jeden Tag voll durchzieht. Um 6.30 Uhr (samstags bereits um 6.00 Uhr) steht sie hinter der Ladentheke bis sie um 18.30 Uhr den Laden abschließt, ohne Mittagspause und ohne Hilfe. Das Geschäft zu übernehmen sei ihre letzte Chance gewesen, erzählt sie, wer nimmt einen denn noch mit fünfzig. Jetzt ist sie seit acht Jahren selbständig. Beim Abschied ruft sie mir noch hinterher, dass ich gesund bleiben solle und wünscht mir viel Glück bei meiner weiteren Wanderung.
Hinter Liebenau führt ein leichter Anstieg über die Wegtrasse des WDE, des Wanderwegs der deutschen Wiedervereinigung. Klaus begleitet mich und Emma heute zum letzten Mal. Er hat sich in den letzten Tagen fürs Streckenwandern begeistern können. Er bastelt bereits an einer eigenen Tour. Auf der Anhöhe hinter Liebenau geht’s auf Wiesenwegen steil bergab nach Lauenstein. Wir durchqueren den Ort durch die Schlossstrasse, um anschließend wieder einen langen Aufstieg zu wandern. In Geising müssen wir uns entscheiden nach Altenberg oder Zinnwald zu wandern. Klaus überredet mich den Weg nach Zinnwald zu nehmen. Eine gute Entscheidung.
Entlang des Skilifts windet sich der Weg nach oben. Im Wald nehmen wir den steilen Weg über die Trasse der ehemaligen Bobbahn zur Scharspitze (808m) zu nehmen. Beim Anstieg sind noch die Mauerreste einer Steilkurve gut auszumachen. Wir schnaufen ordentlich beim Anstieg, der Weg ist steil, der Untergrund ein frisch gemähter Wiesenweg. Auf der Scharspitze informiert eine kleine Tafel über die ehemalige Bobbahn. An der Scharspitze war in früher das Starthaus der Natureisbobbahn, die 1908 gebaut wurde. Bis 1930 stürzten sich dann wagemutige Männer auf der historischen Geisinger Bahn über acht Kurven und einem Gefälle zwischen zehn und zwanzig Prozent ins Tal.
Zinnwald liegt in direkter Nachbarschaft zur deutsch-tschechischen Grenze am Lugstein (893 m). Nochmals müssen wir einen kräftigen Anstieg bis zur Beerenhütte (880 m) über einen geteerten Feldwirtschaftweg bewältigen. An der Wetterstation des deutschen Wetterdienstes führt ein Grenzüberschreitender Wanderweg vorbei. Allerdings gibt es dafür Benutzungsvoraussetzungen. Unter anderem darf der Wanderweg vom 1.4. bis 30.9. täglich von 6.00 Uhr bis 22.30 Uhr, vom 1.10. bis 31.3. täglich nur von 8.00 bis 18.00 Uhr begangen werden.
Auf dem Weg zur Beerenhütte erinnert ein Stein an Josef Franz Brechensbauer (1867-1945). Der Lehrer, Schriftsteller und Heimatkundler gilt als „Vater“ des traditionellen Erzgebirgskammweges, den ich ab morgen Richtung Südwesten wandern will.
Die Beerenhütte ist der ideale Ort einen Wandertag zu beenden. Wir sitzen vor der Hütte und genießen die Abschlussrast. Auf über 800 Meter muss ich auch im August eine warme Jacke überstreifen, kühler Wind zieht über den Lugstein. Heidi Beer hat leckeren Preiselbeerkuchen gebacken. Die ehemalige DDR-Meisterin der Sportakrobatik hat nach 34 Jahren dem Schuldienst ade gesagt. Sie wollte noch mal was anderes machen, erzählt sie mir. Am 11. Dezember hat sie gemeinsam mit ihrem Mann die Beerenhütte eröffnet. Manfred Beer, sitzt mit Handwerkern an einem Tisch und plant eine zweite Hütte. Manfred Beer war ebenfall Spitzensportler, Weltmeister und Olympiamedaillengewinner im Biathlon. Das Leistungszentrum der Biathleten befindet sich nur einen Steinwurf entfernt. Zum Abschied ein Foto von Heidi und Manfred Beer vor ihrer Beerenhütte und ein freundschaftlicher Händedruck. Gerne wäre ich länger geblieben. Die beiden haben sicherlich viel zu erzählen.