Die Oderbruch-Symphonie
Kienitz – Küstrin / 09.07.2010 / 111. Tag
In den frühen Morgenstunden bin ich mit Emma unterwegs. Es wird Stunden dauern bis wir die ersten Radfahrer mit ihren schwer bebackten Fahrrädern sehen werden. Die meisten fahren den Weg Richtung Norden.
Als ich mit Emma einige Kilometer unterwegs bin, beginnt ein Konzert der besonderen Art: die Oderbruch-Symphonie. Gespielt von Mitgliedern des Oderbruchs. Ohne Eintrittskarte können wir daran teilnehmen. Kein großes Orchester musste arrangiert werden, kein Komponist dirigiert die verschiedenen Klangkörper. Und doch wird das fast eineinhalb Stunden dauernde Konzert zu einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis. Das unaufhörliche Gezwitscher der Singvögel in den nahen Weidebäumen ist das Grundgerüst des Orchesters. In den teilweise noch überschwemmten Wiesen des Oderbruchs stimmen sie dann ein. Jeder scheint zu wissen wann sein Einsatz zu erfolgen hat. Der Storch mit seinem Schnabelgeklapper, die Kiebitze mit ihren kurzen, schrillen Schreien, die Graugänse mit ihren dunklen Lauten, dazwischen Froschgequake und ab und zu mischt auch der Fasan im nahen Feld mit. Nicht zu vergessen die Feldlerchen, die für aufregende kurze Soli in die Höhe schweben. Die Luft ist erfüllt von diesen wunderschönen Tönen der Natur. Ein Morgen den ich nicht mehr vergessen werde. Ich glaube dieses einigartige Werk wurde nur für mich und Emma aufgeführt.
Als es wärmer wird verebbt das Konzert und die Solisten kommen zur Ruhe. Wir sind während der heutigen Wanderung fast die gesamte Zeit der Sonne ausgesetzt. Emmas Zunge wird immer länger. Wasser finden wir reichlich, aber der Asphalt des Weges ist gegen 11.00 Uhr fast unerträglich heiß.
In Bleyen in der Dorfstraße befindet sich der „Gasthof-Pension Wagenrad“. Leider ist noch geschlossen als wir vorbeikommen. Im Hof wird der Rasen mit einer Sprenkelanlage befeuchtet. Als ich nach Wasser für Emma frage, werde ich barsch aus der Toreinfahrt verwiesen. „Alles privat“ ! Ich soll warten bis der „Gasthof“ öffnet. Kein Mitleid für Emma mit hängender Zunge. Drei Kilometer bis zum Ende der heutigen Etappe müssen wir noch laufen. In der nahen, schattigen Bushaltestelle ruhen wir uns aus und schaffen den Rest des Weges im gemütlichen Spaziertempo.