Die Königsetappe auf dem Goldsteig – 162. Tag

Acht Eintausender stehen auf dem Programm

Eck – Seebachschleife / 29.08.2010/ 162. Tag

Um 7.00 Uhr treffe ich mich mit Gabi und Michael zum Frühstück. Sie bringen anschließend meinen schweren Rucksack ins nächste Hotel und fahren zurück nach Regensburg. Für die Beiden beginnt morgen wieder der Berufsalltag. Allerdings nur für eine Woche, dann werden sie in Wanderkleidung im Zug nach Südfrankreich sitzen, um drei Wochen lang auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein.

Emma auf dem Goldsteig

Ich komme mit gemischten Gefühlen zum Frühstück. Hunger will sich nicht so recht einstellen. Zwei Tassen Kaffee, mehr schaffe ich nicht. Ich habe Respekt vor der heutigen „Königsetappe“ und ich muss mich von neu gewonnenen Freunden verabschieden. Ich mag keine Abschiede. Ein letztes Bild am Goldsteigauto, dann bin ich mit Emma im dichten Nebel verschwunden. Emma wartet noch einige Male auf die Beiden, dann weiß sie: wir sind wieder allein unterwegs.

Die „Königsetappe“ steht an: achtmal einen Tausender überqueren, ehe es zweieinhalb Stunden bergab nach Seebachschleife geht.

Der Arber ist der König des Bayerischen Waldes und höchster Berg des Bayerisch-Böhmischen Grenzgebirges. Die Rißloch-Wasserfälle, Moore, eiszeitliche Seen mit steil abfallenden Felswänden sowie der Urwald verleihen dem Gebiet um den Arber seinen einmaligen Charakter. Der Große Arber erreicht als einziger Berg des Grenzmassivs die klimatische Waldgrenze. Dorthin will ich mit Emma. Die kühle Temperatur lässt uns ein ordentliches Tempo vorlegen. Je länger wir steigen, umso wohler fühle ich mich. Die Trainingstage mit Gabi und Michael zeigen Wirkung. Der Mühlriegel auf 1080 Metern ist der erste Tausender den wir meistern. Der Nebel wird immer dichter, die Temperatur scheint weiter zu sinken. Emma stöbert Stöckchen auf, schnüffelt an verschiedenen Mauselöchern.

Der Ödrigel (1156 m), das Waldwiesmartl beim Schwarzeck (1238 m), der Reischflecksattel (1126 m), der Heugstatt (1261m) sowie der Enzian (1285 m) bescheren uns ein ständiges Auf und ab. Das Pflücken eisgekühlter Himbeeren und Blaubeeren am Wegesrand sorgen für kurze Pausen. Ab und zu reißen die dichten Nebelfelder für Sekundenbruchteile auf. Es ist ein Spiel mit dem Licht. Der Goldsteig wird zu einem Weg der Stille. Ich bleibe öfter stehen, um die Stille zu hören. Hörbare Stille wie ich sie selten erlebt habe. Eine schaurig-schöne Atmosphäre.

Am Gipfel des Großen Arber

Auf dem Weg zum Kleinen Arber (1384 m) erleben wir fantastische Wetterkapriolen. Plötzlich taucht vor uns der Bergrücken des Großen Arber auf. Intensives Sonnenlicht brennt in den Augen. Dann ziehen wie von Geisterhand die Nebelvorhänge zu. Über uns hängen dicke, dunkle Wolken aus denen es leicht zu Regnen beginnt, dann fallen die ersten kleinen Eiskörner. Sie schmerzen wie Akupunkturnadelstiche an den Ohren. Die Eiskörner werden immer dicker und erreichen die Größe von Erbsen. Ich muss mir die Kapuze überziehen. Emma ist anfangs irritiert von der Massage von oben. Dann versucht sie die Eiskörner in der Luft zu schnappen, um sie anschließend zu Zerbeißen. Als wir an der Schutzhütte des Kleinen Arber ankommen, scheint wieder die Sonne. Für einige Minuten sitzen wir draußen und genießen den Sonnenschein. Noch zwei Kilometer bis zum Großen Arber (1456 m). Die Sonne trocknet beim Aufstieg die Wanderkleidung. Nach fünf Stunden habe ich mit Emma den höchsten Punkt des Goldsteigs erreicht.

Die Bergbahn bringt unzählige Sommerurlauber auf den Berg. Die reinste Rummelplatzatmosphäre. Mit Emma an der Leine ziehe ich schnell über den Goldsteig nach unten. Der schwierige Abstieg über felsig-steinigen Untergrund und nasses Wurzelwerk erfordert höchste Konzentration. Emma schafft es mit Leichtigkeit und wartet immer wieder geduldig auf Herrchen.

Im Waldhotel in Seebachschleife, nur wenige Kilometer von Bayerisch Eisenstein, werden wir übernachten. Mit Thomas Müller, dem Bürgermeister von Bayerisch Eisenstein, bin ich morgen zum Frühstück verabredet. Während des Abendessens im Waldhotel meldet der Wetterbericht für die nächsten Tage Schnee in den Höhenlagen. Es ist Ende August, Zeit die Winterjacken aus dem Schrank zu holen.

 

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