Der Wollfilz wurde in Guben von Carl Gottlob Wilke erfunden
Guben – Forst / 15.07.2010 / 117. Tag
In Guben hatte seit dem Mittelalter das Handwerk der Hut- und Tuchmacher Tradition. Im 19. Jahrhundert erlebte Guben eine Blütezeit und entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Industriestädte der Niederlausitz. Carl Gottlob Wilke, der Firmengründer des Familienunternehmens Wilke, erfand den witterungsbeständigen Wollfilz.
Seit 2006 ist in der ehemaligen Wollfabrik die Plastinationsfabrik von Gunther von Hagen untergebracht. In Guben eröffnete er seine erste Schauwerkstatt zur Plastinierung von Leichen. In der Stadt wird eifrig saniert und restauriert, die Fassaden alter Prachbauten erhalten wieder Farbe. Fast alle Straßen, Plätze und Hinweisschilder sind in deutscher und in polnischer Sprache zu gehalten. Ganz anders im gegenüberliegenden Gubin, das in wenigen Schritten über die Neißebrücke erreichbar ist. Dort sind die Informationstafeln nur in polnischer Sprache. Das bedeutet für mich: keine Information. Schade. Es gibt noch viel zu tun.
Im kühlen Morgenwind komme ich mit Emma gut voran. Meist fließt die Neiße nur wenige Meter linker Hand neben uns. Polen ist greifbar nahe, aber auf der gegenüberliegenden Seite der Neiße sind nur Wiesen, und Waldflächen. Kein Mensch ist zu sehen. Als ich mich mit Emma Grießen nähere wird der dunkle Grundton von Industrieanlagen immer lauter. Das Lausitzer Braunkohlerevier beginnt unmittelbar in Grießen. Zwischen Guben und Forst wird im Jänschwalde Braunkohle im Tagebau gefördert. Im Forster Stadtteil Horno gibt es seit 2006 das „Archiv der verschwundenen Orte.“ Die Einwohner von Horno wurden umgesiedelt weil das Dorf der Braunkohleförderung im Wege stand. Inzwischen sind in der Umgebung drei weitere Dörfer von diesem Schicksal betroffen.
In Sacro, einem kleinen Dorf zwischen Briesnig und Forst, bin ich mit Michel Havasi, von der Lausitzer Rundschau verabredet. Zu meiner hundertsten Wanderetappe wird morgen ein Artikel über meine Wanderung erscheinen. Gestern hatten bereits die Kollegen von Radio Cottbus ein Live-Interview anlässlich meiner Jubiläumsetappe gesendet.
Michel Havasi wartet im Schatten alter Lindenbäume. Vor vielen Jahren gab es an dieser Stelle eine Brücke über die Neiße. Die Brückenköpfe sind noch gut zu erkennen. Nach einem Bad von Emma in der Neiße, sitzen wir im Schatten.
Ein radelnder Wandergeselle setzt sich zu uns an den Holztisch. Alfred Sielaft ist seit vierzehn Tagen unterwegs und will an Neiße und Oder bis zur Ostsee radeln, um dann wieder zurück zu seiner Heimatstadt Glücksburg zu gelangen. Der achtundsiebzigjährige ist schon dreimal die berühmte „Route 66“ in den USA mit dem Fahrrad gefahren. Den europäischen Fernwanderweg von Flensburg nach Chiasso in Italien ist er auch gewandert. Er fährt Fahrrad, um fit die nächsten Jahre zu erreichen. In seinem Buch „Das Weite gesucht“ hat er einige seiner Erlebnisse veröffentlicht. Es entsteht ein Dreiecksinterview. Während ich geduldig die Fragen Michels beantworte, bin ich dabei Alfred Fragen zu stellen. Ich glaube im morgigen Artikel der Lausitzer Rundschau wird auch Alfred eine Rolle spielen.
Ein freundliches Händeschütteln in alle Richtungen: Alfred Sielaft radelt noch bis Guben, Michel Havasi fährt mit dem Auto zurück nach Cottbus und ich wandere mit Emma Richtung Forst. Am Abend gibt es zur Feier des Tages eine süße Überraschung: Sommertrüffel aus Bad Muskau.