Der Anton Günther Weg erinnert an den Heimatdichter
Oberwiesenthal – Johanngeorgenstadt / 11.08.2010 /144. Tag
Diese Wanderung und diesen Wandertag widme ich dem Heimatdichter Anton Günther. Von Oberwiesenthal bis Johanngeorgenstadt bin ich über viele Stunden mit Emma auf dem Anton Günther Weg unterwegs. Wer war dieser Mann, dem ein grenzüberschreitender Wanderweg gewidmet ist?
Anton Günther (1876-1937) schrieb Mundarttexte, vertonte sie selbst und sang sie seinem Publikum vor. Der gelernte Lithograf gilt als Erfinder der Liedpostkarte, einer Postkarte mit einfachen Notenbildern, Texten und eigenen Lithografien. Anton Günther war der Erste, der ein komplettes Lied auf einer Postkarte veröffentlichte. Die erste Liedpostkarte Anton Günthers ist „Drham is‘ drham“, eine einfarbige grüne Lithographie ohne Nummer oder Verlagsangabe. Die Karte entstand während seiner Ausbildung zum Lithografen in Prag. In Prager Heimatabenden trug Anton Günther die Lieder vor, „Drham is‘ drham“ mit besonders großem Erfolg. Statt es auf Nachfrage Dutzende Male abzuschreiben, brachte er das Lied noch ohne Noten, aber mit einer eigenen Zeichnung vermutlich Ende 1895 selbst auf Lithographie-Stein und ließ es auf 100 Karten in der ersten Auflage drucken.
Da die Familie in Gottesgab (heute Bozi Dar in Böhmen) gegen die Armut ankämpfte, schickte Günther eine weitere Auflage seiner, wie er sie selbst nannte „Liederpostkarten“, in die Heimat, die dort sein Vater Johann Günther im Selbstverlag und gemeinsam mit Sohn Juliuis, dem Bruder Anton Günthers in dessen Reiseandenkenladen in Gottesgab und auch von Tür zu Tür vertrieb.
Drham is‘ drham (1. und 5. Strophe)
En dr‘ Fremd‘ draus’n, Kenner, Ehr kännt mer’sch gelab’n
Do soch ich mär emmer, „drham is‘ drham“
Do Do draus’n en dr Walt, ja do gieht’s pulnisch zu:
Wos Wos dr Ana aufmacht, macht d’r Andera zu.
Dos hot mer meitoch schu’ve da Alt’n gehährt,
On danin hot’s wieder ehr Vat’r gelährt
Drem sogn mer a alla on bleib’n drbei:
„Draham is‘ drham när drham mächt ich sei.
Zu Hause ist zu Hause und nur dort wollte er sein. Der Text erinnert mich an einen Mundarttext meines Freundes Georg Fox im Saarland, der auf einer Langspielplatte seinen Text „Dahemm is äwe nur dahemm“ vor einigen Jahren präsentierte. „Ann därdoo Stell liewe Gries ande Georsch dahemm im Saarland“.
Von Oberwiesenthal bis Rittersgrün steige ich mit Emma bergab, ehe ein langer Anstieg zur Ortschaft Halbemeile (900 m) erfolgt. Wie ein spitzer Pfeil ragt eine Landzunge von Deutschland nach Böhmen. Vier Häuser stehen dort, umgeben von viel Wald und dem grenzüberschreitenden Naturschutzgebiet „Halbmeiler Wiesen“ wo Arnika und Wollgras gedeihen. Zu den 12 Personen, die in Halbemeile leben, gehört Gisela Kahnt, die 1981 mit ihrem Mann von Leipzig aus nach Halbemeile zog. Am Eingang zu Gisela Kahnts Haus steht eine Bronzetafel mit dem Relief und einem Text von Anton Günther. Von Gisela Kahnt erhalte ich in der Einsamkeit des Erzgebirges einige Informationen über Anton Günther sowie eine Broschüre über Karl Friedrich Lobegott Schmidt, den letzten Eigenlöhner des Erzgebirges, der aus Halbemeile stammte.
Ich ziehe weiter und treffe kurz danach unmittelbar am Grenzverlauf auf den „Grenzsteinanmaler“ Miroslav Vazek. Er sitzt auf einem Grenzstein. Vor ihm steht ein Holzkasten mit verschiedenen Farben und Pinsel. Es riecht nach frischer Farbe. Die kleinen viereckigen Steine erhalten von ihm einen neuen Farbanstrich, Grundfarbe weiß, jeweils vorne und hinten ein schwarzes D oder C. Wir können uns leider nicht unterhalten, aber mit Zeichensprache geht vieles. Miroslav Vazek hat die Grenzsteine ganz schön herausgeputzt. Bis zum Wandergrenzübergang „Himmelswiese“ riecht die Luft nach frischem Tannengrün und frischer Farbe. Bis Johanngeorgenstadt wandere ich mit Emma immer entlang der Grenze.
Die letzte Ruhe fand der Heimatdichter und Liedsänger Anton Günther in seinem Heimatdorf Gottesgab (Bozi Dar) in Böhmen. Auf seinem Grabstein die Inschrift: „`s is Feieromd“.