Die Diplomatentreppe im Oderbruch
Küstrin – Lebus / 10.07.2010 / 112. Tag
Heute werde ich noch einmal entlang der Oder durchs Oderbruch wandern. Das Bruch ist 60 Kilometer lang und erreicht eine Breite von 10 bis 15 Kilometer. Der Landstrich war ehemals Sumpfland, das immer wieder durch das Hochwasser der Oder überflutet wurde. Auf Initiative des Preußenkönigs Friedrich II erfolgte eine planmäßige Trockenlegung des Oderbruchs. Über 40 neue Dörfer entstanden im Bruch, die allerdings trotz umfangreicher Deichanlagen immer wieder überflutet wurden. Am Weg erinnern einige Schautafeln und Gedenksteine an die Jahrhundertflut von 1997. Vierzehntausend Helfer waren damals im Einsatz, die über acht Millionen Sandsäcke verbauten, um eine Hochwasserkatastrophe zu verhindern.
Zwischen Reitwein und Lebus komme ich an der so genannten „Diplomatentreppe“ vorbei. Am 2. Februar 1945 überschritten Soldaten der 8. sowjetischen Gardearmee an diesem Oderbruchabschnitt die Oder. 1975, 40 Jahre nach Kriegsende, besichtigten Botschafter aus 40 diplomatischen Vertretungen der damaligen DDR diesen historischen Ort. Damit die Diplomaten bequem auf die Deichkrone gelangen konnten, wurde eigens eine Treppe errichtet.
Die Kirche und einige Häuser von Lebus werden sichtbar. Es sind noch einige Kilometer zu laufen. Die Temperaturen steigen. Eigentlich wollte ich heute bis Frankfurt an der Oder wandern. Als ich in Lebus an der Fischerklause eine Rast einlege zeigt das Thermometer 37 Grad im Schatten. Es ist 12.00 Uhr Mittag. Für heute ist Schluss. Auch Emma will nur noch im Schatten liegen.
Am Nachmittag bin ich mit Roland Kant verabredet. Er ist in Frankfurt an der Oder geboren. Nach der Wende hat er sich in Lebus oberhalb des alten Stadtkerns ein Haus gebaut, mit Blick aufs Odertal. Roland Kant ist Sportpsychologe. Im Olympiastützpunkt in Franfurt an der Oder betreut er Kadersportler. Am Sportwissenschaftlichen Institut in Saarbrücken war er im Laufe seiner Arbeit mehrmals. Roland Kant arbeitet vor allem mit Sportschützen.
Er erzählt von den gravierenden Veränderungen an der Grenze. Nach der Wende wurde der Job der Grenzsoldaten lebensgefährlich. Schleuserbanden brachten Waffen und Menschen über die Oder. Die Grenzposten arbeiteten in der Nacht mit Wärmebildkameras, um die Menschenschmuggler ausfindig zu machen. Heute ist alles viel entspannter, so Kant.
Morgen werde ich ganz entspannt die letzten Kilometer bis Frankfurt wandern und in Polen einen Kaffee trinken.